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Statistik Pazifikküste:

Strecke: 1876 km
Tagesdurchschnitt: 60 km
Tage in der Gegend: 31
Tage auf dem Rad: 23
Höhenmeter überwunden: 12110m
Tagesdurchschnitt: 527m
Nächte im Zelt: 17
Nächte in Häusern: 14
Pannen: neuer Rahmen, neue Reifen
tägliche Ausgaben: 10,14€

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Südkalifornien erleben
4 Monate im Land haben Spuren hinterlassen. Meine Neugier auf Amerika lässt nach, so langsam wird es Zeit was neues zu beginnen. Doch zwischen mir und dem nächsten Land liegt noch ein guter Radfahrermonat.
Nebenbei hat sich ein schwerliegendes Problem entwickelt. Nach fast 60.000km (die Unbeladenen mitgezählt) macht mein Freund Kosmo ein wenig schlapp. Das Schlackern der Gabel das mich eigentlich schon meine ganze Reise begleitet ist in den letzten Monaten so stark geworden das ich kaum mehr einhändig fahren kann. Ist irgendwo zwischen abenteuerlich und gefährlich wenn sich mein Rahmen aufschaukelt. Nach langem grübeln und abwiegen habe ich dann beschlossen das vor meiner Weiterreise nach Zentral und Südamerika eine Lösung her muss.
So habe ich in den letzten Wochen ein wenig organisiert und es geschafft dass ich in Los Angeles einen neuen Rahmen in mein Rad einbauen kann.

Also teilt sich meine Etappe in die Zeit die Ich noch mit Kosmo verbringe und die die Ich habe um meinen neuen Aufbau abzustimmen und einzufahren.

Mein Aufbruch in San Francisco war regnerisch. Den ersten Tag quäl ich mich durch die Vorstädte und das im dichten Nieselregen und bei Sicht teilweise unter 50m. Es geht auf und ab und wieder rauf. Ermüdend. Der letzte große Anstieg aus der Siedlungszone auf einer aufgegebenen Bergstrecke war dann wieder cool, Ich radelte in die Dunkelheit hinein und tastete mich dann drüben auf ausgewaschenen Schotterstrecken wieder runter. Spannend. Als ich mehr als leicht durchnässt am Campingplatz ankam war es finsterste Nacht.

Südlich von San Francisco radelt man durch Agrarland. Gemüse und Obstplantagen wechseln sich ab, man sieht so langsam warum California sich so sehr um seine Migranten bemüht, jeder der hier arbeitet hat lateinamerikanische Wurzeln. Wie viele davon illegal schuften kann ich nur vermuten...

Die erste richtige Stadt ist dann Santa Cruz, der Name steht für Surfbretter und Fahrräder und genau das sieht man hier auch, meist kombiniert. Man radelt zur Beach mit einem Brett am Rad befestigt. Coole Konstruktion. Santa Cruz ist eine entspannte Stadt, hat noch einen Vergnügungspark auf der Strandpromenade und sonst eigentlich nicht wirklich viel zu bieten. Das Strandflair wird zelebriert und so flanieren hier viele mit Brett unterm Arm zum Feierabend-Surf. Die Brandungszonen sind voller schwarzer Punkte die von weitem wie Vögel oder Seelöwen aussehen aber zu guter Letzt Surfer sind.

Bei Monterey verlasse ich die Küste. Nach heftigen Regenfällen im Winter gab es zwei große Erdrutsche in einem Küstenabschnitt südlich von hier. Big Sur, wegen seiner Wildheit ein Mythos unter Pazifikküsten-Radlern, ist gesperrt. Da ich Facebook nicht nutze erfahre ich nichts von der Möglichkeit das Rad über die Rutsche zu schieben. Dumm gelaufen. Ich radele durchs Hinterland. Mehr Gemüse, Wein und Obst und ein paar happige Anstiege bei denen meine ausgelutschte Schaltung endgültig den Geist aufgibt. In der nächsten größeren Stadt gibt es eine neue Ritzel-Kassette für hinten und eine neue Kette und weiter geht es mit einem Bike das sich anfühlt wie neu, herrlich!

Wieder an der Küste fühle ich mich müde und antriebslos. Ich lege einen Tag Pause auf dem Camping ein und versuche meinen Akku wieder aufzuladen. Funktioniert leidlich. Bin in den letzten Monaten auch (für meine Verhältnisse) unglaubliche Strecken gefahren. Fast 11000km in etwas mehr als 4 Monaten sind eigentlich jenseits von Gut und Böse. Aber es hat sich kein Platz zum Pausieren ergeben oder das Wetter und/oder die nächste Schneewarnung für eine Bergkette hat es mir versaut. Blöd.

Nächster Halt ist Santa Barbara, hier komme ich unter bei Michael einem Warmshowers Host. Ich kann mich mit Ausrüstungsfragen beschäftigen. Für Zentral- und Südamerika brauche ich neue Schuhe, mein Rad braucht neue Reifen, einiges an Kleinkram, viel abzuklären. Also tingele ich durch die Shops probiere aus, frage nach.

Nach drei Tagen geht’s weiter, diesmal wieder weg von der Küste. Ich möchte noch zum Joshua Tree National Park, der liegt aber ab vom Schuss hinter LA. Ich könnte nach meinem Besuch in LA dorthin radeln, aber mein Rahmen ist noch nicht da also beschliesse ich das vorher zu machen. Eine Riesenschleife, fast 1000km hin und zurück in die Mojave Wüste hinter LA.

Das Gebiet das ich durchfahre sollte zwei Wochen später riesigen Wildfeuern zum Opfer fallen und die Schönheit die mir unterwegs begegnet in Asche zerfallen. Krass. Auf dem Weg verliere ich auf einer rütteligen Strasse meine Benzinflasche. Merke es aber zu spät. Mist! Ich kreuze die Route 66 in Victorville, das mit dem Ende dieser wichtigen Strasse auch seine Daseinsberechtigung verloren hat. Traurig.
Manchmal muss man aber Glück haben, später am Abend in Apple Valley winkt mich jemand an den Strassenrand. John fragt mich ob ich warmshowers kenne, tu ich und er lädt mich ein bei Ihm zu übernachten. Als ich Ihm von meinem Missgeschick erzähle zaubert er eine Benzinflasche hervor und schenkt sie mir. Cool! Nur die Pumpe passend zu meinem Kocher hat er leider nicht. Es sollte noch bis San Diego dauern bis Ich Ersatz bekommen sollte. Er schenkt mir noch eine Gaskartusche und damit kann ich die nächsten Tage kochen... Unglaublich die Grosszügigkeit der Menschen. Wir haben tolle Gespräche und ein wundervolles Abendessen in einem gehobenen Burgerladen in der Stadt, vielen Dank für Eure Hilfe!

Joshua Tree National Park ist ein wunderschöner Ort. Der namensgebende Baum wächst nur in der Mojave Wüste und ist eigentlich eine gigantische Yucca Palme. Im Park gibt es mehrere riesige Wälder von Ihnen und zusammen mit der felsigen Wüste drumherum ergibt das ein wirklich schönes Fleckchen Erde. Ich bleibe 2 Tage im Park und radele danach zurück nach Palm Springs. Aus der furztrockenen Wüste kommend ist Palm Springs ein Schock. Durch Bewässerungsprojekte möglich gemacht herrscht hier ein schwüles heisses Klima und alles um einen herum ist grün. Tausende von Palmen und dutzende Golfplätze machen das Leben für die Reichen und Schönen angenehm. Die meisten (weisse Menschen) riegeln sich in eingezäunten oder ummauerten Wohngebieten ab während die meist Lateinamerikanischen Gärtner die Grünanlagen pflegen. Kolonialismus, oder was?

In Palm Springs dachte ich darüber nach das letzte Stück nach LA mit dem Zug zu fahren. Hatte wohl verdrängt, dass öffentlicher Nahverkehr in den USA eher was für den geduldigen (ohne Fahrrad) ist. Es gibt keine Verbindung heute und Fahrrad mitnehmen muss man drei Tage vorher anmelden. Grmpf...

Also biss ich in den sauren Apfel und strampelte über den Pass in den Kessel von LA. Überraschenderweise war der Wind auf meiner Seite und blies mich den Hang hinauf.
Oben machte ich Bekanntschaft mit den heissen Santa Ana Winden welche die Feuer in der Region so unberechenbar machen. Heftigste Böen bliesen herab von den Hügeln und warfen mich an jeder Brache fast vom Rad. Krass.

Ich blieb zwei Nächte in Pasadena im Norden von LA und plante mit Jeffrey von Ergon den Bike-Bau. Er hatte mir beim Besorgen des Rahmens geholfen und stellte mir nun den Raum zum Bau zur Verfügung. Nach wenigen Stunden war Kosmo abgewrackt und sein Nachfolger fahrbereit. Ich konnte außer einem Schaltkabel, dem Steuersatz und dem Tretlager alles wiederverwenden. Der Phoenix aus der Asche sollte einen gebührenden Namen bekommen und so begleitet er mich von nun an als Kosmo 2.0 ... Die Zahl der Teile die die ganze Reise mitgemacht haben sinkt rapide…
Jeffrey wohnt in West Hollywood nicht weit vom Hollywood Boulevard und den Wohngebieten der Reichen und Schönen entfernt. So hatte ich die Gelegenheit mir das auch mal anzuschauen. Aber wie alles in den USA ist es nur Fassade, die Armen sind überall sichtbar und der Putz bröckelt... Jeffrey liess mich noch 2 Nächte in seinem Gästehaus schlafen wo ich die Gelegenheit nutzte um all die vielen Kleinigkeiten am Rad zu fixieren.

Vielen Dank Jeffrey für deine Hilfe und Gastfreundschaft!

Auf meinem Weg aus der Stadt radelte ich durch Gegenden in denen ich Nachts nicht unbedingt rumlaufen möchte. Im starken Kontrast dazu leigt dann wieder der Küstenbereich südlich von Long Beach, hier wird der vorhandene Reichtum gezeigt und zelebriert. Durch Denise in San Francisco hatte ich die Adresse von John und Joni in Balboa Island bekommen die ein Paket für mich angenommen hatten. So fuhr ich dort vorbei und holte meine neuen Reifen und mein neues Rücklicht ab. Vielen Dank für Eure Hilfe.

Die kommenden Tage waren entspanntes Radeln am Strand. Eines Nachmittags traf ich auf Ron und radelte mit Ihm für ein paar Stunden. Wir hatten ein prima Gespräch und am Ende lud er mich noch zu sich nach Hause ein. Er und seine Frau GG waren wunderbare Gastgeber! Danke dafür ☺

Mein Ziel war San Diego, wo ich noch einmal Luft holen würde und die letzten Vorbereitungen treffen wollte für das grosse Abenteuer Mexico!

Roman gab mir die Möglichkeit in seiner Gartenhütte zu übernachten und auf die letzten Postsendungen zu warten. Meine Pumpe kam zusammen mit dem neuen Akku meines Garmin´s an und so konnte ich am folgenden Morgen losfahren.

Amerika, du warst gut zu mir! Hast mir die Gelegenheit gegeben in deine Psyche zu schauen, deine Gewohnheiten zu studieren und deine guten und schlechten Seiten ungeniert zu begutachten. Schlau bin ich daraus aber zu guter letzt nicht geworden. Grosses Rätsel USA... Danke für die Gelegenheit

Aber jetzt geht es über die Grenze hinüber nach Mexico. Wenn nur ein Hauch von dem stimmt was jeder hier erzählt bin ich auf dem Weg ins gefährlichste Land der Welt... Aber das hat bisher eigentlich jeder von seinem Nachbarland erzählt. Ich bin gespannt!

Davon erzähl ich Euch das nächste Mal sicher mehr...





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