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Statistik Ostküste:

Strecke: 1430 km
Tagesdurchschnitt: 68 km
Tage im Land: 21
Tage auf dem Rad: 16
Höhenmeter überwunden: 9300m
Tagesdurchschnitt: 580m
Nächte im Zelt: 11
Nächte in Häusern: 10
Pannen: keine
tägliche Ausgaben: 14,00€

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Entlang der Ostküste nach Norden

Jetzt sitze ich hier in Toronto, mal wieder in Kanada und denke darüber nach was ich die letzten Wochen erlebt habe.

Aber von Anfang an. Nachdem ich Weihnachten entschieden hatte die Reise fürs Erste zu unterbrechen kam ich nach Hause und traf nach langer Zeit endlich Freunde und Familie wieder. Ich durfte bei Anna und Jens unterschlüpfen, alten Freunden die mich eingeladen hatten bei Ihnen zu wohnen. Meine Mutter hatte den Glauben schon aufgegeben mich noch einmal zu sehen und auch bei allen anderen war es ein freudiges Erleben wieder mal zusammenzukommen.

Doch schnell wurde mir klar, das wird erst mal nur von begrenzter Dauer. Zwei Jahre auf der Straße haben mich verändert, kritischer werden lassen, meinen Blickwinkel verändert und Scheuklappen entfernt die für ein Leben in unserer Gesellschaft notwendig sind.
Ich beschloss die Zeit zu nutzen um den seelischen Akku zu tanken, den Geldbeutel zu füllen und ein wenig Ordnung in meine Bilder und Video-Dateien zu bringen.

Meinen Gastgebern half ich beim Ausbau ihres Hauses und schaute mir die Heimat mit neuen Augen an. Die Idee einen Reisebereicht über mein Land zu schreiben hab ich leider zu lange vor mir hergeschoben. Mit der Zeit verfliegt die Erkenntnis über Dinge die einem zu Beginn als besonders amüsant oder besonders merkwürdig erscheinen. Also, sorry, kein Reisebericht.

Einen Tag nach Arbeitsantritt hab ich dann auch schon meinen Flug gebucht. Als Anker und Sicherheit das die Zeit auf der Arbeit begrenzt ist.
Zwischendurch bin ich dann noch umgezogen, habe noch zwei Monate bei Simone und Andy gewohnt. Dort hatte ich den unbezahlbaren Vorteil dass ich in Andys Werkstatt werkeln konnte. Einige meiner Reparaturen und Neuanfertigungen sind an seiner Nähmaschine entstanden... Cool, Vielen Dank dafür! Simone hat mir dann noch meine erste professionelle Sattelhülle geschenkt... Jetzt bin ich bereit für die Reise.

Nachdem ich letztes Jahr einen Blick auf den Westen der USA geworfen hatte ging mir der Gedanke an einen Besuch im Osten nicht aus dem Kopf. Deshalb komme ich nun zurück nach New York um von dort aus nach San Francisco zurück zu Radeln. Dort kann ich dann meine Route nach Süden wieder aufnehmen.

New York war genial! Nachdem ich die Immigration, die mir ordentlich Bauchschmerzen bereitet hatte, absolut problemlos durchschritten bin, erwartete mich Walt in der Flughafenhalle. Mit Ihm war ich von Deutschland aus in Kontakt gekommen und er lud mich ein die ersten paar Tage bei Ihm zu bleiben um mir New York anzuschauen. Er war ein absoluter Glücksgriff. Er führte mich durch Manhattan, als passionierter (Hobby-) Guide wusste er einiges zu erzählen und selbst den 11. September hatte er im Südturm miterlebt. Eindrückliche Stadtführung, vielen Dank dafür Walt!

Am 4.Tag war es dann Zeit los zu radeln. Erst einmal aus der Stadt heraus, über die Brooklyn Bridge dann durch Manhattan hindurch und im Norden durch die Bronx hinaus aufs Umland. Lange Strecke bis man raus ist.

Zuerst ging es die Küste hinauf bis nach Maine, man radelt konstant in parkähnlichen Gegenden, kurz nach New York stehen viele Steinhäuser die mich extrem daran erinnern, dass ich in (Neu-) England unterwegs bin. Später wird es dann zum klassischen Holzhaus bei dem man schlecht erkennen kann ob es historisch ist oder nicht. Verändert hat sich am Stil nicht viel.

Im Vergleich zum Westen trifft man hier auf Kultur und Geschichte. Im 17. Jahrhundert besiedelt findet man richtig alte Bausubstanz und die Stadtkerne haben unglaublich viel Flair. Drumherum sieht alles so aus wie überall in den USA. Shoppinggegenden, Einkaufszentren und Fastfood-Restaurants. Grausam.

Die Atlantikküste ist nicht ganz so wild wie der Pazifik, das meiste der Küste ist Privatbesitz und so ist es teilweise eine richtige Herausforderung ein ruhiges Fleckchen mit Meerblick zu finden. Generell ist es nur möglich in den State Parks unbemerkt sein Zelt aufzuschlagen. Nachdem sie schliessen kann man sich reinschleichen und dann eine ruhige Nacht mit Toilette und Frühstückstisch verbringen, schön!

Mein erstes Ziel war Cape Cod, eine Landzunge die sich hakenförmig in den Atlantik schiebt. Es ist extrem beliebt, meist von Reichen als Zweitwohnsitz beschlagnahmt und gerade im Juli übervoll. Walt hatte mir eine Unterkunft bei seiner Cousine besorgt und so nutzte ich die Gelegenheit mir mal die Oberschicht im Osten anzuschauen. Sehen und gesehen werden...
Aber auch Cape Cod hat seine schönen und einsamen Ecken und so radelte ich an den Ostrand, meinen östlichsten Punkt in den USA und genoss die Ruhe in den Dünen. Ganz im Norden liegt Provincetown, ein beliebter Ferienort und Hochburg der LGBT Szene von Boston.

Mit einer 90 Minuten Schnellfähre mit der Stadt verbunden war ich recht schnell auch wieder im Leben zurück. Im Herzen der Stadt Boston, dem Herz der Ostküste. Hier trifft die geballte Geschichte des Unabhängigkeitskampfs des 18.Jahrhunderts auf die Finanzwelt des 21.Jahrhunderts. Hippe Stadtviertel auf die gediegenen Reichenviertel auf dem Capitol Hill. Reichtum auf Armut... Viele Gegensätze und spannend verpackt. Definitiv eine Reise wert.

Danach ging es an der Küste entlang weiter nach Norden. Küstenorte mit kleinen Vergnügungsparks (sogenannten Luna Parks) reihen sich hier aneinander und man sieht Ihnen an das sie schon bessere Zeiten gesehen haben. Nach einigen weiteren Tagen erreichte ich Portland wo ich vom Atlantik abschied nahm. Von hier an ging es definitiv nach Westen. Die Küste ist Touristen gewohnt und so hatte ich nicht allzu viele interessantere Kontakte hatte. Im Landesinneren hoffte ich das sich das ändern würde. Gleich am ersten Abend wurde ich positiv überrascht. David kam mir mit dem Rad entgegen und lud mich ein die Nacht bei Ihm zu verbringen. Seine Hütte am Fluss war eine Oase der Stille und David ein sehr interessanter und tiefgründiger Charakter. Danach war ich erfrischt und bereit die White Mountains zu überqueren. Oben schlief ich auf dem Pass und hoffte die angekündigten Northern Lights. Leider gab es keine zu sehen und so zogen die unerwarteten Horden von Menschen spät abends wieder ab und ich blieb alleine zurück. Die nächsten beiden Tage schlängelte mich durch die Green Mountains und erreichte den Lake Champlain. Ein riesiger See der sich bis hinauf an die kanadische Grenze zieht. Ich überquerte den See auf einer alten Eisenbahntrasse die zwischendurch noch eine kleine Fähre hat und erreichte am nächsten Morgen die kanadische Grenze.

Mein Bogen durch den Nordosten der USA war eine Reise durch 7 Bundesstaaten, New York, Connecticut, Rhode Island, Massachusetts, New Hampshire, Maine und Vermont lagen auf meinem Weg. Kulturell und landschaftlich war das alles nicht wirklich spektakulär, aber sicher eine schöne Radtour. Die Menschen hier oben auf dem Land leben in einer behüteten Gegend und in Ihrer Wohlstandsblase die nur in den Städten einige Kratzer hat.
Ich freute mich jetzt aber auf Kanada und darauf Hans wiederzusehen, den ich vor zwei Jahren in Bishkek, Kirgistan getroffen hatte und der nun seine Heimat in Montreal gefunden hat.

Aber davon erzähle ich Euch gerne das nächste Mal

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