www.kozmopolit.de


LOADING
Statistik Great Plains:

Strecke: 2246 km
Tagesdurchschnitt: 94 km
Tage im Land: 22
Tage auf dem Rad: 21
Höhenmeter überwunden: 9800m
Tagesdurchschnitt: 470m
Nächte im Zelt: 17
Nächte in Häusern: 5
Pannen: Plattfuss hinten, Schraube am Gepäckträger abgerissen
tägliche Ausgaben: 10,00€

Stacks Image 36
Stacks Image 40
Stacks Image 38
Über die grosse Ebene

Auf dem Weg aus Minneapolis verlor ich mich auf den unübersichtlichen Radwegen entlang des Mississippi und in den Wohngebieten der Reichen. Endlich draußen wurde es wieder mal ziemlich gerade. Ein weiterer Rail-Trail erwartete mich. Diesmal 150km lang. Wow.

Ich kam gut vorwärts und gerade als ich am dritten Tag Pause machen wollte erreichte ich das Städtchen Dalton und dort war eine historische Traktorshow am Laufen. Nach einem kurzen Schwatz mit der Lady am Eingang war ich drin während sie auf mein Rad aufpasste. Richtig schicke alte Maschinen von Marken die man in Europa noch nie gehört hat. Bis zurück zu den Tagen der ersten Motorisierung unter Dampf wurde dort alles gezeigt und auch vorgeführt. Cool, da schlug der technikbegeisterte Junge in mir Purzelbäume.

Am nächsten Tag kam ich nach Fargo und damit nach North Dakota. Der Staat, halb so groß wie Deutschland hat gerade einmal 750.000 Einwohner. Hunderttausend davon wohnen in Fargo, der größten Stadt des Staates. Bleibt also nicht mehr viel übrig für den Rest. Die Stadt hat Charme, einige alte Gebäude und viele neue Ideen machen sie bunt und spannend. Der Wind stand gut und so machte ich mich auf den Weg nach Westen, geschoben vom Wind schaffte ich 100km am Nachmittag. Kurz nach der Stadt war mir klar was die kommenden Tage Programm sein wird. Soya Felder rechts und Mais auf der linken Seite (oder umgekehrt), mehr Abwechslung gab es nicht. Die wenigen Menschen die mir begegneten saßen im Auto und hoben kurz träge die Hand am Lenkrad. Ödnis pur.

Kleine Anektoden machten es nicht sterbenslangweilig, ich erzähl Euch mal ein paar.

In Hope (Hoffnung) wurde ich von der Straße weg zum Frühstück eingeladen. Die örtliche Veteranengemeinschaft hatte zum Benefizfrühstück mit Flohmarkt eingeladen. Nutznießer war ein arbeitsunfähiger Familienvater der mangels fehlender Krankenversicherung und anstehender Herztransplantation in Existenzprobleme getrieben wurde. Die Gemeinschaft kommt, spendet, frühstückt zusammen und jeder gibt was für den Flohmarkt dessen erlöse der Familie zugute kommen. Schöne Geste und großer Gemeinschaftssinn. Eine soziale Absicherung hätte das verhindert, aber das wollen die Leute hier nicht. Amerika Live.

Im nächsten Ort lud mich die örtliche Sonntagsschule der christlichen Gemeinde zum Picknick ein. Barbeque und Kuchen und am Ende sogar eine kleine Spende für die Reisekasse. Kaum einer konnte sich vorstellen was ich da tue. Liebe Leute, hat Spass gemacht ein wenig zu plaudern. Auf dem Weg aus der Stadt traf ich auf die Auktion eines Barbers (der Friseur der auch Bärte stutzt hier in den USA) der in Rente geht. Im neuen Haus gibt es keinen Platz für all die Sammelsurien, die er über die Jahrzehnte gesammelt hat. Er bestellt sich ein Auktionsunternehmen die das ganze möglichst Gewinnbringend versteigert. Coole Sachen und coole Veranstaltung. Volksfeststimmung im Ort.

Ich kam an mehreren eingezäunten Quadraten vorbei die mich ein wenig an Wasserreservoirs im Untergrund erinnerten. Es machte nur keinen Sinn, da die Gegend völlig flach war. Irgendwann war eine historische Stätte ausgeschildert, die genauso aussah. Nachdem ich mich dort informiert hatte wusste ich Bescheid. Die eingezäunten Gebiete beherbergen die atomare Verteidigung Amerikas. Der Museumsbunker wurde im Rahmen des START Abrüstungsabkommen mit der UdSSR geleert und statt zerstört zu werden in ein Museum verwandelt. In jedem dieser insgesamt 1500 Bunker (verteilt über 4 Staaten des mittleren Westens) lagert eine „Minuteman III“ Rakete mit der 43fachen Zerstörungskraft der Hiroshima Bombe. Unglaublich war daran das viele Menschen in der Umgebung überhaupt nicht wissen was da in Ihrem Boden vergraben wurde. Unangenehmes Gefühl da herumzuradeln…

Die nächsten Tage wurde es immer wärmer. Die Temperaturen erreichten fast 40 Grad und es war mühsam vorwärts zu kommen. Eines Nachmittags radelte ich über eine Kuppe und sah einen trüben Schimmer vom Horizont her aufziehen. Es war Rauch, der von den Wald- und Buschbränden in Montana herübergeweht wurde. Die Luft war rauchig, kratzig und das Licht wurde ganz zwielichtig. Die Sonne ging feuerrot auf und unter. Wirklich unheimlich das ganze. Ein Regenguss in der Nacht wusch die Luft wieder sauber und sorgte auch für einen ordentlichen Temperatursturz auf unter 10 Grad.

In New Town im Westen des Staates machte ich in der Bücherei eine Pause und kam mit der guten Frau des Hauses ins Gespräch. Auf die Frage was denn die Geschichte der Stadt sei wurde es spannend. In den 40ern wurde das Land enteignet um den Missouri zu einem Stausee aufzustauen. Die verlorenen Gemeinden zogen nach New Town um. Die Entschädigung für das verlorene Gelände lag nur bei 25% des Kaufpreises für „trockenes“ Land. Viele Menschen haben einiges verloren in der Zeit. Nebenbei konnten sich beide Gemeinden nicht ausstehen und das zusammenziehen wurde in der örtlichen Presse ausgefochten. Spannend zu lesen die Artikel von damals. In der Zwischenzeit wurde dort auch Öl gefunden und vor 10 Jahren mit der Entdeckung des Frackings kam das Business zurück. Die Stadt hat sich laut Ihr seitdem ziemlich verändert, der Ton ist rauer, die Gewalt und Kriminalität gestiegen. Nebenwirkungen des Rausches nach Reichtum.

Der Nordwesten Staates ist ein Eldorado der Ölbohrer, auf dem Weg nach Williston der letzten Stadt vor Montana passierte ich etliche Bohrfelder und Pumpen, die Gasfackeln flackerten. Rund um Williston das gleiche Bild. Gewerbegebiete voller Ölgeräte und eine schmutzige und hektische Stadt. Geht der Boom bleibt Ödnis zurück. Erinnert mich irgendwie an die Goldgebiete im Yukon.

In Montana liegt das Öl tiefer und es lohnt sich nicht wirklich es zu fördern. Deshalb sieht man hier weniger Pumpen und mehr Landschaft. Nebenbei fing es an zu regnen und so radelte ich klitschnass bei 3 Grad durch die Landschaft. In Culbertson schlüpfte ich im örtlichen Museum unter und wärmte mich über Stunden auf, kam schlussendlich in der örtlichen Kirche unter. Klasse. Alles schön über Nacht getrocknet und am nächsten Tag bei nachlassendem Regen weiterradeln.

Auf der Karte entdeckte ich eine schöne Nebenstrecke hinauf zum Fort Peck See. Gesehen, geradelt. Leider hatte ich den örtlichen Schlamm unterschätzt und die Folgen die er bringt. Nach 40km auf gutem Teer und später Schotter kam ich auf eine Erd-Straße und die klebte wie Teer an meinem Rad. Nach wenigen hundert Metern war mir klar hier geht nix vorwärts. Leider auch nicht mehr rückwärts. Gerade als ich begann einen Plan B zu entwickeln kam mir ein Pickup entgegen. Darin saß ein älteres Pärchen auf dem Weg zur Sonntagskirche. Sie nahmen mich in Dreck und Speck mit und setzten mich auf der Hauptstraße wieder raus. Cool. Glück muss man haben!

Der angekündigte Westwind kam dann doch noch und machte mir die nächsten paar Tage zur Hölle. Stürmische Böen ließen mich mit mickrigen 10km/h vorwärts kommen. Dabei musste ich unaufhörlich strampeln. Das laugt aus. In Shelby war ich erledigt. Die Temperatur fiel auf 4 Grad und der stürmische Wind kühlt aus. Als ich zum tag der offenen Tür in der neugebauten Raststation eingeladen wurde sagte ich gerne zu. Bei Kaffee, Kuchen, heißer Suppe und netten Gesprächen taute ich wieder auf. Ein Senior des Ortes hatte ein altes Karussell gekauft und es renoviert. Die Einwohner hatten jeweils eine Figur neu bemalt und so feierte das ganze Ort das Richtfest dieses tollen Ortes. Dabei wurden wieder fleißig Spenden gesammelt, denn ohne die geht in Amerika nix. Am Ende des Tages endete ich im Haus der Familie der Tochter des Seniors und durfte dort über Nacht bleiben. Jewell und Cliff nahmen mich wie einen verlorenen Sohn bei sich auf. Schön und erholsam mal wieder im warmen Bett zu schlafen.

Am Morgen konnte ich von der Farm aus am Horizont die ersehnten Berge sehen. 150km entfernt aber in der kalten Morgenluft glasklar begrüßten sie mich. Das Ende der Ebene war fast erreicht.

Ich brauchte noch zwei Tage dann war ich dort. Mein ursprüngliches Ziel die Straße durch das Herz des Glacier National Park genannt die „Going tot he Sun-Road“ (Straße die zur Sonne führt) war wegen der Waldbrände im Park geschlossen und so fuhr ich einmal um den Park herum. Was ich von außen sehen konnte war wunderschön.

Auf der anderen Seite ging es in ein grünes Hochtal, nach Wochen auf verbrannten und abgeernteten Ebenen ein absoluter Augenschmaus, gen Süden nach Missoula. Dort wollte ich eine kleine Pause einlegen bevor ich mich südwärts dem Hauptkamm der Rockies entlang vorarbeiten wollte. Immer mit der Hoffnung das der Winter noch auf sich warten lässt.

Was für ein Ritt! Drei Wochen und über 2000km westwärts führte mich der Weg. Einmal von Hamburg nach Sizilien. Unvorstellbare Weiten. Es war eine vor allem psychische Herausforderung. Ohne Augenfang und Abwechslung mit maximal 30 Minuten Konversation am Tag alleine durch diese Gegend zu radeln war ermüdend. Mit fallenden Temperaturen saugte die Kälte auch noch an den Reserven. Ich war wirklich froh als ich die Berge sah. Mit wurde erst da so richtig klar wie sehr ich sie vermisst habe. IN MIssoula war ich dann auch erst einmal erledigt. Eine Pause bitter nötig.

Das der Plan nicht aufging ist eine andere Geschichte die Ich Euch das nächste Mal erzähle...





Stacks Image 44
Stacks Image 46
Stacks Image 42