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Statistik GE/ARM

Strecke: 319/620 km
Tagesdurchschnitt: 64/61 km
Tage in: 5/10
Tage auf dem Rad: 3/10
Höhenmeter überwunden: 2086/10997 m
Tagesdurchschnitt: 695/1098 m
Nächte im Zelt: 1/8
Nächte in Häusern: 3/2
Pannen: gebrochene Pedale, 2 gebrochene Speichen, 1 Plattfuss
tägliche Ausgaben: 12,16/9,73 €
Willkommen im Kaukasus!


Als ich immer schön bergab nach Georgien und in den Frühling hinein rollte, da begrüsste mich als erstes mal ein (ehemals) deutscher Sanitär-Transporter mit dem schönen Versprechen „wir machen Ihren Scheiss weg!“, na das ist doch schon mal was dachte ich mir…

Im ersten Dorf angekommen genoss ich die Wärme der Frühlingssonne und machte es mir vor der wundervollen Kirche bequem zum Frühstück. Nach der Zeit in der Türkei war es schon ein Kulturschock in dieses christliche geprägte und extrem europäisch wirkende Land zu kommen. Beim Automechaniker holte ich mir ein paar Aussprache-Tipps für meinen Mini-Wortschatz (die Georgier haben wie die Armenier auch eine eigene Schrift) und danach ging es völlig gemächlich auf den Weg nach Akhaltisihke. Das Land strahlte eine Entspanntheit aus, die gut tat. Bevor ich dort ankam musste ich aber mit ein paar Jungs am Strassenrand erstmal ein Bier trinken, mein erstes seit Van und superlecker! Die erste Stadt auf meiner Strecke durchs Land wird Gekrönt von einer frisch renovierten Festung und hat ansonsten ausser sowjetischem Charme nicht viel zu bieten… Das ganze Land sieht aus als ob sich die letzten 25 Jahre nicht viel getan hätte. Abgesehen von Unmengen europäischer Autos, die in teilweise prekärem Zustand über die Strassen holpern sieht es aus als wäre der Russe gerade ausgezogen. Eine wirklich schöner ruinöser Vordergrund für eine wunderbare Natur die sich dahinter ausbreitet.

Nach den letzten beiden Wochen hatte ich beschlossen den Easyway durchs Land zu nehmen und so folgte ich dem Tal der Kura nach Tbilisi. Nach 40km war aber erstmal Schluss mit Radfahren, denn bei meinem ersten Einkauf wurde ich von einer jungen Frau die perfekt Deutsch sprach eingeladen eine Pause bei Ihnen zuhause zu machen. Perfekt, wenn man schon mal jemanden hat der einen versteht, dachte ich mir und kam mit. Auf der Baustelle Ihres Hauses zu der sie mich brachte erwartete mich die ganze Familie und ich war sofort eingeladen zum Essen und vor allem zum trinken! Alle paar Minuten wurde ein Chacha, der selbstgemachte Schnaps der Georgier ausgeschenkt und es gab immer etwas auf das man anstossen konnte. Schnell war klar, das das hier keine Pause wird sondern Endstation und so gab ich mich der Geschichte hin. Die einfache Küche schmeckte hervorragend und die liebenswerten Leute (mit Hilfe der Übersetzung von Shorena) konnte man einfach nur ins Herz schliessen. So wechselten wir später noch zu Ihrem aktuellen Haus in den Dorfkern wo die Zeit irgendwo vor Hundert Jahren stehengeblieben schien. Unbefestigte Wege verbanden die Höfe, eine uralte Kirchenruine stand mitten im Dorf und eine ebenso alte Burg krönte das ganze. Wir besuchten zuerst das Haus und die Familie des Freundes des Vaters und danach das Haus der Eltern von Shorena. Ursprünglicher geht es nicht, sie bauen alles selbst an, machen Marmelade, Käse, Wein und Schnaps selbst und leben in einer traumhaft schönen Umgebung. Ich wurde spontan neidisch. Sie haben nicht viel hatte mir der papa am nachmittag gesagt, aber das teilen sie sehr gerne!
Shorena bestätigte mir meine Frage ob sie mit diesem Leben glücklich sei mit einem überzeugten JA… Sie hatte 2 Jahre in Deutschland und Österreich als Kindermädchen gearbeitet und kennt unsere Welt also recht gut.
Die Nacht durfte ich im Rohbau des Hauses schlafen und fuhr am nächsten Morgen nach einem deftigen Frühstück und 2 Chachas im Bauch (und einer kleinen Flasche im Rucksack) bewegt weiter.

Ich folgte der Schlucht der Kura an Borjomi, einem Kurort mit Sowjet-Charme und lange hinter seiner Blüte, vorbei nach Gori. Kurz vor Gori tauchte im Norden die Bergkette des grossen Kaukasus auf die, herrlich mit Ihren teilweise 5000m hohen Eisriesen, auf mich herabschaute. Die Stadt Gori ist vor allem für eines berühmt: Stalin wurde hier geboren… Man denkt darüber nach das ganze touristisch auszuschlachten, aber ich habe bisher noch nichts gefunden… Die Stadt, eine Industriestadt wurde im Altstadtbereich renoviert, strahlt aber auch in Ihrem Plattenbaustil einen eigenen Charme aus. Über der Stadt steht eine grosse Burg.
Bis hierher fuhr ich, mangels Alternativen, auf der Hauptstrasse. Ab Gori gab es parallel wieder kleinere Strassen die mich durch die Dörfer führten. Kurz vor Tbilisi bei Mtskheta traf ich dann wieder auf die Hauptstrasse und folgte Ihr inzwischen zur Stadtautobahn geworden hinein in die Hauptstadt. Die Stadt windet sich entlang der Kurs durch ein teilweise enges Tal. Nach 20km war ich im Zentrum angekommen und fand auch eine nette Unterkunft in einem Hostel.

Neben einer Pause und einigem Organisatorischem reizte mich vor allem die Stadt. Und so zog ich am ersten Tag auch los Richtung Kern und Altstadt. Ich wurde nicht enttäuscht. Der marode Charme der sich durchs ganze Land zieht zeigt sich auch hier, aber es wird viel renoviert. So ist die Altstadt ein in sich abgeschlossener Bereich der extrem viel Charme versprüht. Inzwischen auch sehr touristisch macht es trotzdem Spass durch die Gassen zu schlendern. Je weiter man sich von der Kura entfernt, desto maroder wird die Bausubstanz und schöner wird die Stadt… Am Rande gibt es noch den alten Badebereich der der Stadt Ihren Namen gab (Tbilisi bedeutet warmes Wasser) und oberhalb lädt eine Burg zum Überblick ein. Dort hinauf führt auch eine Seilbahn, die aber nur touristischen Charakter hat. Früher wurden verschiedene Bereiche der Stadt mit Seilbahnen erschlossen, die man aber mit der Zeit alle wegen Sicherheitsbedenken schliessen musste.
Am zweiten Tag radelte ich zum Bikeshop und zur Kathedrale der Stadt. Der Neubau wurde komplett von einem georgischen Milliardär bezahlt und ist immer noch im Bau… das was man schon sehen kann ist aber wunderschön, nebenbei wird die Kirche eine der grössten Orthodoxen Kirchen der Welt sein.

Irgendwann ist es auch genug mit der Stadt und so ging es am nächsten Morgen dann wieder aufs Rad und in Richtung armenischer Grenze. Die Gegend blieb relativ flach und so konnte ich gemütlich mich warmradeln. An der Grenze ging alles total problemlos, Pass raus, Stempel rein und herzlich willkommen oder Barheev wie man heir sagt!

Die Länder trennt ganz klassisch ein Fluss und so folgte ich Ihm hinein ins Land. Der Debed schneidet sich durch das Land und in seiner Schlucht war ich 2 Tage unterwegs. Der marode Charme Georgiens setzte sich hier fort, nur noch etwas bröseliger… Die Anzahl westlicher Autos sank in den homöopathischen Bereich und die Ladas und Wolgas übernahmen die Strasse! Auch die Trucks waren nun vollständig aus russischer Produktion und die hatten bergauf genauso zu kämpfen wie ich. Mit Ihrem Abgasen und Russwolken hatte ich dann noch zusätzlich zu kämpfen, aber man gewöhnt sich ja an alles…

Bis zur Industriestadt Alaverdi folgte ich der Schlucht um dort auf den Rand hinauf zu radeln um mir das Kloster Sanahin anzuschauen. Mit dem Welterbe-Sticker versehen soll es ein tolles Beispiel armenischer Architektur von vor tausend Jahren sein. Bis ich oben war war es fast dunkel und ich schaffte es gerade noch vor Beginn eines Gewitterregens mich unterzustellen. Nach kurzer Frage durfte ich im Vorgarten des Klosters zelten. Perfekt!

Am nächsten Morgen hatte ich Zeit mir in aller Ruhe die Anlage anzuschauen bevor die Touristen kamen. Arthur, der nebenan Souvenirs verkaufte lud mich zum Kaffee ein. Das wurde schnell zum Umtrunk mit Frühstück und was das Beste war, er vervollständigte und korrigierte meinen kleinen Armenisch-Wortschatz. Das war auch mal 4 Vodka am Morgen wert ;-)

Im Verlauf des Tages traf ich noch Olli aus Düsseldorf mit dem ich den Rest des Tages fuhr. Es verlief sich dann allerdings, da ich nach Vanadzor noch etwas weiterfuhr und er dort blieb. An diesem Tag zeigte sich schon was in den nächsten Tagen auf mich zukommen würde: Berge. Ich fuhr den ganzen Tag um aus der Schlucht heraus und nach Vanadzor hinauf zu kommen. Der nächste Tag führte mich hinab nach Dilijan wo der Anstieg zum Sevan-See anstand. Happig und knackig aber im Vergleich zur Türkei eine wunderbare Serpentinen gespickte Passstrasse. Oben wurde ich mit einem schicken Blick über den See belohnt. Mein Zelt stellte ich am Abend direkt am Seeufer auf.
Dem Ufer folgend ging es danach hinauf zum Selim-Pass. Am Vorabend der Passfahrt brach mir die rechte Pedale ab. Kurzes knarzen, ein kurzes Blockieren und schon machte es Knack. Das war richtig blöd, denn eine Ersatzpedale hatte ich nicht dabei… Naja, am Abend war ich viel zu müde drüber nachzudenken und baute erstmal neben der Strasse das Zelt auf. Am nächsten Morgen stellte ich fest das es geht, mehr schlecht als recht, auf der Achse zu strampeln…

Hinter dem Pass genoss ich die Aussicht und die 30km lange Abfahrt hinunter ins Tal des Arpa. Diesem folgte ich, nachdem ich in Ehghegnadzor einen Satz Pedalen gekauft hatte, in Richtung des nächsten Berges. Der Vorotan-Pass forderte mich mal wieder. Steil und lang, zusätzlich Regen… Perfekte Bedingungen! Oben angekommen gönnte ich mir erstmal einen Schluck aus meinem Georgien-Vorrat bevor ich mich durchgefroren an die Abfahrt machte.
Die Pedale zeigte schon nach diesem einen Pass erhebliche Auflösungserscheinungen und ich beschloss in der nächsten Stadt zur Sicherheit noch ein zweites Paar zu kaufen. Nach 30km Abfahrt im Nebel erreichte ich Goris und beschloss die Nacht mal in einem Zimmer (mit heisser Dusche) zu verbringen. Toll war es!

Das nächste Hindernis auf der Reise ging diesmal nicht nach oben, sondern nach unten. Die Vorotan-Schlucht. Nachdem ich über den Pass gefahren, am gleichnamigen See vorbei gekommen war musste ich nun den Fluss überqueren der den Süden Armeniens quer durchfliesst. Das macht er aber tief eingeschnitten und so hiess es nicht ob sondern wo tue ich es?
Bei Tatev, einer möglichen Überquerung gibt es seit wenigen Jahren eine Seilbahn. Sie verbindet das nördliche „Ufer“ mit dem Kloster Tatev am südlichen Ufer. Da würde ich mir die Schlucht sparen. Fragen kostet nix, bringt aber in diesem Falle auch nix… Sie nehmen mich nicht mit. Also doch die Schlucht… Einige schweisstreibende Stunden später stand ich auf der anderen Seite vor dem Kloster und gönnte mir erstmal ein Bier… Nach der Besichtigung hatte ich mich dann so weit erholt das ich noch ein Stück weiter fahren konnte und wollte.
Am nächsten Tag ging es dann über einen knapp 2000m hohen Pass hinab nach Kapan, einer Industriestadt. Sie liegt in einem Flusstal auf knapp 700m.ü.m. Eine schöne Abfahrt auf Erdstrassen durch ländliches Gebiet, wenn da nicht der Gedanke an den darauf folgenden Anstieg gewesen wäre… Direkt in der Stadt geht es hinauf zum Naturpark Shikahogh, eine steile Kletterei mit mehreren Zwischenabfahrten… Abends war ich froh das ich im Grenzgebiet zu Bergkarabach, das zum Teil immer noch vermint ist ein Plätzchen gefunden hatte für mein Zelt.
Am nächsten Morgen geht es hinauf in den Naturpark und zum knapp über 2200m hohen Pass hinüber nach Meghri, der letzten Stadt vor der Grenze zum Iran… Ein weiteres Abenteuer und eine weitere Plackerei für die Beine.
Es kostete mich einiges an Überwindung die Strecke am Morgen in Angriff zu nehmen und es dauerte einige Zeit bis ich warm geradelt und schliesslich oben war. Das was mir dort geboten wurde war allerdings jede Pedalumdrehung wert gewesen…
Nach der Aussicht kam die Abfahrt über 1600Hm und fast 30km… herrlich!
Im Tal folgte ich dann bei Temperaturen weit über 30 Grad dem Grenzzaun und -Fluss bis Meghri wo ich mir zum Abschluss nochmal ein Bett und eine Dusche gönnte…

Zwei intensive Wochen liegen hinter mir. Eine tolle Landschaft, aber vor allem tolle Menschen haben mich begeistert. Jenseits jeden Tourismus kann man auf dem Land den Menschen begegnen und eine gewisse Zeit mit Ihnen teilen. Zwischen diesen Begegnungen lockt die wunderbare Landschaft und nimmt einen der ein oder andere Anstieg in Beschlag… Kann ich nur empfehlen, zwei Länder die eine Reise wert sind!

Jetzt gehts in den Iran, aber das ist eine andere Geschichte…